Internationale Beziehungen
Auch wenn sich die Schweiz gerne als „neutral“ bezeichnet, so ist sie es nicht wirklich. Durch einen Dschungel von internationalen Verträgen und Zahlung von Milliarden ins Ausland mischt sich der Bund viel zu stark in ausländische Angelegenheiten ein. Wir fordern den Übergang zu einer echt weltoffenen Neutralität.
Es gibt keine bessere Entwicklungshilfe als den freien Handel auf Augenhöhe mit aufstrebenden Staaten. Klassische Entwicklungshilfe ist eine Ressourcenverschwendung, welche zudem bestehende Herrschaftsstrukturen in betroffenen Ländern zementiert. Bilaterale Verträge sind durch unilaterale Liberalisierung zu ersetzen, um die Unabhängigkeit vom Ausland zu stärken. Ein EU- oder Nato-Beitritt ist für uns keine Option, da Probleme auf möglichst kleiner Ebene gelöst werden sollen.
Grundsätze der internationalen Beziehungen
Die Libertäre Partei versteht die Schweiz als souveränen Kleinstaat, der sich international vernetzt und für Handel und beidseitig nützliche Kooperation mit allen Ländern und Körperschaften offensteht. Die internationale Vernetzung hat zum Ziel die Freiheit zu schützen und die Einschränkungen der Freiheitsrechte durch Staaten für das Individuum zu minimieren.
Die liberalen Prinzipien wie z.B. des Föderalismus und der Subsidiarität wenden wir auch auf internationale Beziehungen an. So sollen Probleme, welche eine internationale Übereinkunft erfordern, mit bilateralen Verträgen zielgerichtet gelöst werden. Dabei ist es entscheidend, dass kleinere Föderale Einheiten keine Souveränität and die übrergeordnete abgibt. Rechtssetzungskompetenzen für supranationale Organisationen (z.B. EU, UNO) oder Gremien, welche über eine reine Koordination hinausgehen, lehnen wir deshalb ab.
Beziehungen zu Europa und der Europäischen Union
Einige der Staaten der Europäischen Union sind für die Schweiz wichtige Partner in Handel, Forschung, Kultur und unzähligen anderen Bereichen. Zu diesen Staaten unterhält die Schweiz seit Jahrzehnten bewährte bilaterale Beziehungen, welche sich als förderlich für Wohlstand und Austausch erwiesen und über die Zeit bewährt haben. Die Schweiz ist Gründungsmitglied der EFTA, über welche mit 35 Ländern und Gebieten Freihandelsabkommen bestehen. Die EFTA lässt ihren Mitgliedern, im Gegensatz zur EU die Möglichkeit, selber weitere Freihandelsverträge abzuschliessen. So hat die Schweiz mit Canada, China und Japan bestehende, erfolgreiche Freihandelsverträge und kann nach eigenem Ermessen mit Partnern, mit welchen beispielsweise die EU im geopolitischen Interessenskonflikt steht, neue Verträge aushandeln, welche die ökonomischen Vernetzung und somit auch die diplomatischen Beziehungen und den Frieden stärken. Diese Handlungs- und Gestaltungsfreiheit oder auch Vertragsfreiheit nutzt die Schweiz ebenfalls, um ihre Rolle als diplomatischer neutraler Friedensstifter gerecht zu werden. Die Neutralität der Schweiz geht somit Hand in Hand mit ihrer aus Unabhängigkeit gewonnenen Freiheit.
Die Zielsetzung der Europäischen Union zur Schaffung einer «ever closer union» lehnt die Libertäre Partei ab, da sie grundsätzlichen liberalen Werten des Föderalismus und der Subsidiarität diametral entgegenstehen. Eine gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik, wie sie im Vertrag von Lissabon gefordert wird, lehnen wir vehement ab, da sie mit dem Wesen eines neutralen Kleinstaates unvereinbar sind.
«Bilaterale Verträge»
Den zwei als «Bilaterale Verträge» bekannten Vertragspakete Bilaterale I (1999) und Bilaterale II (2004) stehen wir differenziert gegenüber. Wobei einige Verträge klaren beidseitigen Nutzen aufweisen, stellen andere fundamentale Freiheitsrechte der Schweiz in Gefahr.
Bilaterale I
Die «Bilateralen I» sind ein Vertragspaket bestehend aus 7 Verträgen, welche durch eine Guillotine Klausel miteinander verknüpft sind. Als unumstritten und zum überwiegenden beidseitigen Nutzen der Partner werden folgende Teilabkommen des Vertragspakets angesehen:
- Abschaffung technischer Handelshemmnisse
- öffentliches Beschaffungswesen
- Landwirtschaft
- Forschung
- Luftverkehr
- Landverkehr
Eine differenzierte Meinung besteht zum Abkommen zur Personenfreizügigkeit. Die Libertäre Partei ist grundsätzlich für möglichst freien Personenverkehr mit allen Ländern, da er wirtschaftliche Entwicklung bringt und es grundsätzlich ein individuelles Freiheitsrecht ist, da leben zu können und Eigentum zu erwerben, wo man will. Am Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU kritisieren wir insbesondere folgende Punkte:
- Zugang zum Schweizer Sozialstaat. EU Bürger erlangen durch die Niederlassung nach kürzester Arbeitsdauer in der Schweiz das Privileg zum Bezug von Schweizer Sozialleistungen (AHV, ALV, Sozialhilfe, IV etc.). Durch dieses markant höhere Leistungsniveau entstehen Fehlanreize für eine Einwanderung in den Sozialstaat.
- Strikteres Arbeitsrecht durch «flankierende Massnahmen» und Umsetzung Masseneinwanderungsintiative.
- Weiterentwicklungsmöglichkeit des Personenfreizügigkeitsabkommen hin zum «EU Bürgerrecht». Die Unionsbürgerrichtlinie fordert dauerhaftes Aufenthaltsrecht, unabhängig davon ob sich jemand selber versorgen kann. Sie fordert Diskriminierungsfreien Zugang zu Stipendien, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen1.
- Einseitige Einschränkung der Zuwanderung bei Drittstaaten durch unselektierte Zuwanderung aus der EU.
- Klare, sachlich nicht zu rechtfertigende und somit willkürliche Diskriminierung von Nicht-EU Bürgern.
Trotz dieser Kritikpunkte hat sich die Libertäre Partei (ehemals Unabhängigkeitspartei) 2020 gegen die Begrezungsinitaitive ausgesprochen, da die Vorteile der aktuellen (wenn auch mangelhaften Lösung) für die Schweizer Bevölkerung aus unserer Sicht überwiegen und die Initianten nicht glaubhaft aufzeigen konnten, dass nach Wegfall der Personenfreizügigkeit ein liberales Einwanderungsregime eingeführt würde.
Bilaterale II
Die «Bilateralen II» sind ein Sammelbegriff für 9 Bilaterale Verträge. Diese sind nicht durch eine Guillotine Klausel miteinander Verknüpft.
Als unumstritten und zum überwiegenden beidseitigen Nutzen der Partner werden folgende Teilabkommen des Vertragspakets angesehen:
- Betrugsbekämpfung
- Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte
- Umwelt
- Statistik
- Ruhegehälter
Die zwei Abkommen MEDIA und das Bildungsabkommen sind bereits ausgelaufen.
Das Abkommen zur Zinsbesteuerung welches ein Hauptargument für den Abschluss der Bilateralen II war, da es den Erhalt des Bankgeheimnisses sichern sollte, wurde durch das Abkommen über den automatischen Informationsaustausch hinfällig.
Das jetzige Dublinabkommen erachtet die Libertäre Partei als gescheitert, da die Vertragstreue der Mitgliedsstaaten sehr zu wünschen übrig lässt und das Abkommen grundlegende Fehlkonzeptionen, wie z.B keinerlei Bezug auf die Staaten die die Aussengrenze verkörpern, beinhaltet. Wir befürworten eine Revision des Abkommens, welche mehr Kompetenzen der Asylpolitik an die Mitgliederländer zurückgibt. Eine weitere Zentralisierung des Asylwesens lehnen wir ab. Im Gegensatz befürworten wir eine komplette Privatisierung des Asylwesens.
Aus souveränitätspolitischen Überlegungen lehnt die Libertäre Partei das Schengener Abkommen ab. Durch Schengen verliert die Schweiz fundamentale Kompetenzen und Freiheitsrechte, welche das Selbstverständnis des Schweizer Staates als dem Souverän untergebene Institution untergraben. Insbesondere Eingriffe in fundamentale individuelle Freiheitsrechte jeglicher Art, wie das Recht auf privaten Waffenbesitz, die faktische Aufhebung der Milizarmee hin zu einer Berufsarmee, lehnen wir entschieden ab. Eine Sicherheitspolitische Kooperation wie eine Beteiligung am Schengener Informationssystem ist anzustreben (analog Vereinigtes Königreich).
Rahmenabkommen
Die Libertäre Partei sieht den Bilateralismus als gute Form für die Regelung der Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union. Der wirtschaftliche Wert der Bilateralen Verträge steht für die Libertäre Partei jedoch nicht über den Werten, welche die Schweiz als Staat ausmachen: Selbstbestimmung, aussenpolitische Neutralität, Föderalismus und individuelle Freiheit.
Die Libertäre Partei befürwortet eine Weiterentwicklung der bilateralen Verträge unter Berücksichtigung folgender Punkte:
- Die Schweiz muss bei der Übernahme von EU-Recht das letzte Wort haben. Die automatische Rechtsübernahme wird kategorisch abgelehnt.
- Keine automatische Kündigung der bilateralen Verträge. Eine Kündigung kann nur durch einen expliziten Entscheid einer Vertragspartei zustande kommen.
- Auslegungsprobleme sollen, wie bei bilateralen Verträgen unter gleichberechtigten Partnern üblich, durch einen paritätisch zusammengesetzten gemischten Ausschuss bereinigt werden. Eine Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof lehnen wir strikt ab.
- Einseitige Befugnisse der EU zum Straf- oder Zwangsmassnahmen (Ausgleichsmassnahmen) zu Ungunsten der Schweiz zu verhängen, lehnen wir ab
- Es darf kein Überwachungsorgan etabliert werden, welches laufend die Einhaltung der bilateralen Verträge kontrolliert.
Leider versucht die EU zunehmends, die Schweiz zu zermürben und zu Unterzeichnung eines Rahmenabkommens zu nötigen, welches diverse der obenen genannten Punkte verletzen würde. Aus diesem Grund lehnen wir das Rahmenabkommen in der aktuellen Form aber auch mit kosmetischen Verbesserungen ab.
Die Schweiz darf ihre freiheitlichen Prinzipien nicht für kurzfristige Erleichterungen im Verhältnis zur EU preisgeben. Dies mag statisch betrachtet zwar oportun erscheinen, dürfte sich aber langfristig als sehr kostspielig erweisen. Insbesondere darf die Schweiz sich auch nicht noch stärker in eine Abhängigkeit von der EU geben und damit Chancen zur Zusammenarbeit mit anderen Ländern (aktuell insbesondere auch mit der UK) verspielen.
Fazit
Die Libertäre Partei hat die Vision einer gegenüber Europa, aber insbesondere gegenüber der ganzen Welt offenen Schweiz, welche in Freundschaft, aber eigenständig, mit allen in friedlichen Austausch tritt, die an beidseitigem Nutzen interessiert sind. Werte wie Freiheit, Eigentum und Souveränität sind auch in der Aussenpolitik unsere Leitschranken. Die Aufgabe dieser Werte im Sinne eines vermeintlichen Wirtschaftswachstums stellt einen Widerspruch in sich dar, da jene Werte das Fundament für eine freie, produktive und innovative Wirtschaft, wie auch einer liberalen Gesellschaft bilden.
1 EU fragt nach mehr Personenfreizügigkeit, NZZ Online, 9.8.2010
URL: http://www.nzz.ch/eu-fragt-nach-mehr-personenfreizuegigkeit-1.7141076